23.01.2025 | 13:28
Jubiläumstreffen: 20 Jahre Runder Tisch gegen häusliche Gewalt
Koordinierungsstelle des Landes zu Gast im Lahn-Dill-Kreis/Rückblick auf die Entwicklung
Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt widmet sich seit mittlerweile über 20 Jahren der Verbesserung des Schutzes vor und der Unterstützung bei oder nach häuslicher Gewalt. Das regionale Vernetzungsgremium verschiedener Behörden und Einrichtungen aus dem Lahn-Dill-Kreis wurde im Herbst 2004 gegründet, um die Zusammenarbeit zu fördern, bessere Hilfemaßnahmen zu entwickeln und Menschen, die Hilfe suchen, einen einfacheren Zugang zum Hilfesystem zu ermöglichen.
Zur nun stattgefundenen Jubiläumssitzung hatte sich Besuch aus dem Hessischen Sozialministerium angekündigt. Dr. Juliane Stephan und Dr. Ralina Panova-Greulich, die Vertreterinnen der Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beim Land, machten sich vor Ort ein Bild von der Arbeit und würdigten das Engagement der Mitglieder des Runden Tisches. „Die Umsetzung der Konvention, das heißt der Schutz, die Verhütung, die Verfolgung und die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur in einem guten Miteinander aller Beteiligten gelingen kann. Hier ist der Runde Tisch im Lahn-Dill-Kreis seit Beginn an erfolgreich unterwegs“, betonte Dr. Juliane Stephan.
Als Grundlage der Arbeit des Runden Tisches, der sich zweimal jährlich trifft, gelten die Landesaktionspläne gegen häusliche Gewalt in Hessen, die Istanbul-Konvention und eine am Runden Tisch erarbeitete Geschäftsordnung. Rund 20 bis 30 Personen arbeiten stetig und aktiv mit. Für die Umsetzung der selbstbestimmten Schwerpunkte wurden kleinere Arbeitsgruppen etabliert. Die Koordination des Runden Tisches liegt beim Frauenbüro des Lahn-Dill-Kreises und der Beratungs- und Interventionsstelle des Frauenhauses Wetzlar.
Prävention
Die regionale Vernetzung der Beteiligten auf Landkreisebene soll vor allem die Präventionsarbeit stärken. Zur Aufklärung und Sensibilisierung wurden in den vergangenen Jahren hierzu diverse Aktionen umgesetzt. 2010 gab es die gemeinsame Aktion mit der Bäckerinnung „Gewalt kommt mir nicht in die Tüte“ und 2013 die Aktion „Rote Karte gegen häusliche Gewalt“, die zusammen mit dem Apothekerverband durchgeführt wurde. Auch auf den Hessentagen im Lahn-Dill-Kreis war der Runde Tisch 2012 und 2016 mit unterschiedlichen Ausstellungen und Informationsveranstaltungen aktiv. Seit 2022 findet jährlich zum „Tag gegen Gewalt an Frauen“ eine kreisweite Fahnenhiss-Aktion statt, an der sich Kommunen vor Ort aktiv beteiligen können. Des Weiteren wurde gezielt für Betroffene im Lahn-Dill-Kreis Informationsmaterial erstellt und verteilt. Insbesondere der Flyer „Nein zu häuslicher Gewalt“ bietet seit 2010 Informationen für Gewaltopfer mit regionalen Unterstützungsstellen an und wird stetig aktualisiert. Ab 2008 wurden mit dem Flyer „Zoff daheim“ Kinder gesondert angesprochen. Eine Neuauflage ist in Planung.
Seit 2007 finden zudem immer wieder Fachtage und Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen statt, wie „Gewalt in Paarbeziehungen“, „Kinder als Betroffene häuslicher Gewalt“, „Migration und häusliche Gewalt“ oder speziell für den Gesundheitsbereich „Häusliche Gewalt – erkennen und (be)handeln!“ Nach In-Kraft-Treten der Istanbul-Konvention 2018 wurden hiermit auch für die kommunale Ebene verbundene Aufgaben in einer Fachveranstaltung vermittelt. Die Seminarreihe „Kinder als Opfer und Zeugen häuslicher Gewalt“ befasste sich zuletzt 2023 mit dem schwierigen Thema. Darüber hinaus wird als ein Ergebnis aus der Arbeit der Arbeitsgruppe mittlerweile seit vielen Jahren ein Beratungsangebot für Täter bei Pro Familia Gießen umgesetzt.
Verfahrensvereinfachung mit dem Model Lahn-Dill
Häusliche Gewalt ist eine Straftat, bei der zur Klärung und Unterstützung der Opfer unter anderem der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt. Kinder sind in vielen Fällen häuslicher Gewalt leider direkt oder indirekt betroffen. Bislang tragen vorgegebene Vorgehensweisen dazu bei, dass es zu Verzögerungen bei der Hilfe für die Opfer kommen kann. Dieses Problem wurde von einer Arbeitsgruppe des Runden Tisches aufgegriffen und das Modell Lahn-Dill entwickelt, das seit 2019 im Kreis dazu beiträgt, die Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Dabei wurden über eine Kooperation der beteiligten Behörden und Gerichte – Polizei, Familiengericht, Staatsanwaltschaft, Jugendhilfe – sowie der Täter- und Opferberatungsstellen die Verfahrensabläufe verändert und Fälle zeitnah, teils parallel, behandelt. Damit einher gehen eine verbesserte Vernetzung und Zusammenarbeit der beteiligten Stellen, die dazu beitragen, dass die mögliche Unterstützung und Hilfe für die Opfer ankommen. Das im Lahn-Dill-Kreis erprobte Modell soll künftig bei allen Staatsanwaltschaften in Hessen umgesetzt werden. Das ist eine Bestätigung für die Arbeit des Runden Tisches.
Petra Schneider, Frauenbeauftragte des Lahn-Dill-Kreises, bedankte sich bei allen Beteiligten für den langjährigen Einsatz im Vernetzungsgremium: „Die stetige und aktive Beteiligung der Mitglieder des Runden Tisches hat in den vergangenen 20 Jahren ganz entscheidend dazu beigetragen, die Situation der Opfer von häuslicher Gewalt im Lahn-Dill-Kreis zu verbessern und Hilfestrukturen auf- sowie auszubauen. Zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gibt es in der Zukunft jedoch noch einiges zu tun. Ich wünsche uns hierzu weiterhin eine gute Zusammenarbeit, auch mit den Verantwortlichen aus der Politik, damit ein Leben ohne Gewalt in unserem Landkreis möglich ist.“