10.10.2023 | 16:27

Diskriminierung ist Realität

Umfrage des Vielfaltszentrums im Lahn-Dill-Kreis unter Menschen mit Migrationsgeschichte zeigt, wie Integrationsarbeit verbessert werden kann

Sprache ist einer der wichtigsten Bausteine zur Integration. Das hat die Umfrage des Vielfaltszentrums WIR im Lahn-Dill-Kreis ergeben. Viele Menschen mit Migrationshintergrund wünschen sich Deutschkurse. Foto: Lahn-Dill-Kreis / Ulrike Kammler

Sprache ist einer der wichtigsten Bausteine zur Integration. Das hat die Umfrage des Vielfaltszentrums WIR im Lahn-Dill-Kreis ergeben. Viele Menschen mit Migrationshintergrund wünschen sich Deutschkurse. Foto: Lahn-Dill-Kreis / Ulrike Kammler

Welche Erfahrungen haben Menschen gemacht, die selbst eine Migrationsgeschichte haben oder deren Familie einen Migrationshintergrund hat? Welche Rolle spielt die eigene Herkunft oder die der Eltern im Alltag? Wie kann ein gutes Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger im Lahn-Dill-Kreis aussehen? Unter dem Schwerpunkt, die Integrationsarbeit im Landkreis weiter voranzubringen, hat das Vielfaltszentrum WIR im Lahn-Dill-Kreis im Sommer eine Umfrage gestartet, an der sich Menschen mit Migrationsgeschichte vier Wochen lang beteiligen konnten.

Die Auswertung zeigt, dass knapp die Hälfte der Teilnehmenden bereits Diskriminierung erlebt hat – bei der Wohnungssuche, in der Schule, im Bewerbungsverfahren, bei ärztlichen Untersuchungen, in einer Behörde oder bei der Polizei.

Auch beim Thema Bildung gaben Teilnehmende an, weniger gute Chancen auf eine höhere Bildung zu haben. Hürden seien dabei die deutsche Sprache, aber auch, dass ausländische Abschlüsse oder Zeugnisse nicht anerkannt würden. Auch Geld sowie zu wenige und schlecht ausgebildete Lehrkräfte sind begrenzende Faktoren aus Sicht der Umfrageteilnehmenden.

Sprache als Schlüssel zur Integration

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der WIR-Umfrage wünschen sich ein diskriminierungsfreies Umfeld in der Arbeitswelt und auf dem Wohnungsmarkt. Für ein gutes Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger im Lahn-Dill-Kreis seien Respekt und Toleranz die wichtigsten Faktoren. Die Teilnehmenden gaben an, dass sie sich mehr Möglichkeiten zur Begegnung und zum gegenseitigen Kennenlernen wünschen. Auch die Sprache sei ein wichtiger Schlüssel.

Wer nicht oder nur wenig Deutsch spricht, hat zuerst Probleme im Kontakt mit Verwaltungen und Behörden. Auch die Bürokratie selbst erlebten viele als zäh. Dieser Umgang hemme ihr Engagement und ihren Mut, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.

Fazit der Umfrage:

„Aus der Umfrage des Vielfaltszentrums ergibt sich für die Integrationsarbeit, dass die Themen Sprache, Arbeit, Wohnen und Bildung allgemein die drängenden Themen sind“, schlussfolgert Umfrageleiterin Herdes Teich vom Vielfaltszentrum WIR im Lahn-Dill-Kreis. Mehr Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, keine Parallelwelten aufzubauen, sind Lösungen für ein gelungenes Miteinander. Dafür könnten vor allem Arbeit und Wohnen sorgen.

Hintergrund zur Umfrage und deren Auswertung:

Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Sie fand anonym online statt und stand in vier Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Türkisch und Russisch. Von der geschätzten Zielgruppe von knapp 60.000 Menschen im Lahn-Dill-Kreis riefen 318 Menschen den Fragebogen auf und füllten ihn zumindest teilweise aus. 137 Personen füllten den Fragebogen komplett aus.

Die überwiegende Mehrheit rief den Fragebogen in Deutsch auf. Türkisch, Russisch und Englisch folgten mit weitem Abstand.

Etwas mehr Frauen als Männer beteiligten sich an der Umfrage, die größte Gruppe war zwischen 30 und 49 Jahren alt. Gut die Hälfte der Ausfüllenden wurde in Deutschland geboren oder lebt seit mehr als 15 Jahren in Deutschland.

Knapp 60 Prozent der Teilnehmenden gaben als höchsten Schulabschluss das Abitur an. Das musste bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden, beispielsweise beim Thema Sprache. Knapp die Hälfte der Beteiligten gab an, keine sprachlichen Hürden im deutschen Alltag zu sehen.