05.08.2022 | 09:07
„Die Jugendburg ist ein kleines Leuchtturmprojekt“
Landrat, Sozialdezernent und Vertreter der beteiligten Landeskirchen besichtigen Gemeinschaftsunterkunft für ukrainische Geflüchtete in Hohensolms
Es ist ruhig in den alten Gemäuern der Burg hoch über Hohenahr. Vereinzelt sitzen Menschen im Schatten auf den Bänken und unterhalten sich, in einem der Höfe spielen zwei junge Männer Fußball. Ab und zu laufen Kinder und Erwachsene von einem Gebäude zum nächsten. Dabei herrscht seit Anfang Mai eine völlig neue Situation auf der Jugendburg Hohensolms. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), der das Gebäude gehört und die dort Räume für Tagungen und Freizeiten anbietet, hat ihre Türen für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet.
Inzwischen leben 60 Menschen dort, vor allem Familien. Der Fachdienst Zuwanderung und Integration des Lahn-Dill-Kreises hat die Zimmer als Gemeinschaftsunterkunft angemietet und teilt den Geflüchteten die Plätze zu.
„Wenn das Zusammenleben in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht funktionieren sollte, empfehlen wir gegebenenfalls eine Umverteilung“, erklärt die Leiterin des Fachdienstes Sozialarbeit, Stephanie Proske. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter des Kreises betreuen die Menschen vor Ort. Seit dem 1. Juli geht der Landkreis zudem einen neuen Weg: In Kooperation mit der Diakonie Lahn Dill werden die Menschen in der Jugendburg zusätzlich von Viola Heep 30 Stunden pro Woche betreut. Sie hat ein eigenes Büro in der Jugendburg, in dem sie dienstags bis donnerstags ansprechbar ist. Ihre Handynummer hängt für Fragen an der Tür.
Ehrenamtliche unterstützen die Geflüchteten aus der Ukraine
Außerdem unterstützen vier Ehrenamtliche aus der Gemeinde Hohenahr mit großem Engagement die Ukrainerinnen und Ukrainer. „Wir sind sehr dankbar für Ihre Hilfe, vor allem bei der Übersetzung ins Russische“, sagt Kreis-Sozialdezernent Stephan Aurand. Zum Pressetermin, zu dem der Lahn-Dill-Kreis, die EKHN und der Evangelische Kirchenkreis an Lahn-Dill eingeladen haben, sind auch die Helferinnen von vor Ort gekommen, um über ihre Arbeit zu berichten.
Sie begleiten die Geflüchteten ebenfalls bei Amtsgängen, zu Ärzten oder beim Einkaufen – immer dann, wenn schnelle Hilfe benötigt wird. Seit Neuestem vermitteln sie den Menschen in der Jugendburg auch Deutschkenntnisse und suchen dafür noch dringend weitere Ehrenamtliche. Wer Hilfe anbieten möchte, kann sich sowohl an die Gemeinde Hohenahr als auch die Kirchengemeinde und Pfarrer Andreas Hagel wenden.
Dank dieser umfangreichen Unterstützung und dem Zusammenspiel der Institutionen sind die Menschen in der Jugendburg Hohensolms an einem sicheren Ort untergekommenen. „Die Jugendburg ist ein kleines Leuchtturmprojekt“, sagt Landrat Wolfgang Schuster mit Blick auf diese besondere Situation. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr großes Engagement. Das würden wir uns für manch andere Gemeinschaftsunterkunft auch wünschen“, führt er weiter aus.
Es geht immer um die Menschen
Mittlerweile leben 4.800 Menschen im Lahn-Dill-Kreis, die aus verschiedenen Krisen- und Kriegsgebieten der Welt geflüchtet sind. 3.500 von ihnen sind seit Februar aus der Ukraine dazugekommen, verdeutlicht Gero Lottermann, Leiter des Fachdienstes Zuwanderung und Integration. Die Anzahl der Mitarbeitenden in der Kreisverwaltung, die sich um die Menschen in allen Lebenslagen kümmern, ist jedoch gleichgeblieben.
„Wichtig ist uns und unseren Mitarbeitenden, keinen Unterschied bei der Herkunft der Menschen zu machen“, betont Anne Peter-Lauff, Leiterin der Abteilung für Soziales und Integration. Das nutzten auch die Pröpstin für Nord-Nassau, Sabine Betram-Schäfer, und Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill, Dr. Hartmut Sitzler, für einen allgemeinen Appell an die Politik. „Auch die Perspektiven derjenigen, die aus Drittstaaten beispielsweise in der Ukraine studiert haben und nun auf der Flucht sind, müssen gestärkt werden“, sagt die Pröpstin. „Bei der Arbeit mit Geflüchteten geht es immer um Menschen, da sollten wir keine Unterschiede zwischen den Herkunftsländern machen“, erklärt der Superintendent.
Kontakt zwischen Geflüchteten und Gästen auf der Burg
Bei der Führung durch die Räume der Jugendburg, die Annette Frenz leitet, wird deutlich, dass das Miteinander unter den Geflüchteten selbst, aber auch mit den Tagungs- und Freizeitengäste reibungslos funktioniert. Die Geschäftsführerin der Tagungshäuer der EKHN erklärt, dass die Jugendburg schon sehr schnell nach der Unterbringung der Geflüchteten auch die Türen für die Hausgäste wieder geöffnet hat. „Der Kontakt ist niedrigschwellig möglich“, sagt sie.
In sieben Schlafräumen sind die Menschen aus der Ukraine untergebracht. Sie nutzen zudem die Tages- und Gruppenräume sowie das Außengelände. Im Rittersaal liegen Informationsmaterialien auf Ukrainisch aus, an den Wänden hängen Plakate mit Infos auf Ukrainisch, beispielsweise zum ÖPNV. Auf einem Tisch zwischen den Fenstern, aus denen man einen tollen Ausblick hat, liegen Kinder- und Jugendbücher in ukrainischer Sprache. „Dieser Raum wird als Gemeinschaftsraum genutzt. Hier ist der beste Internetempfang“, erläutert Frenz.
Bis zu 90 Menschen könnten in der Jugendburg untergebracht werden. Bis Anfang November besteht der Vertrag zwischen dem Lahn-Dill-Kreis und der EKHN offiziell, mit der Option auf Verlängerung. Da die Landeskirche das Gebäude gerne verkaufen möchte, würde aber auch der neue Investor den Vertrag übernehmen, sichert Pröpstin Bertram-Schäfer zu.
Gemeinschaftsunterkünfte im Lahn-Dill-Kreis:
Aktuell hat der Lahn-Dill-Kreis 112 größere Gemeinschaftsunterkünfte sowie 180 kleinere Wohneinheiten angemietet beziehungsweise hergerichtet. Zuletzt hinzugekommen sind die Gemeinschaftsunterkünfte in Merkenbach und Mittenaar-Ballersbach. Dort hat der Lahn-Dill-Kreis moderne Wohncontainer eingerichtet, um die Geflüchteten, die wöchentlich im Ankunftszentrum in Wetzlar ankommen, gut unterbringen zu können.