25.05.2022 | 09:56

Willkommen heißen, zuhören, erreichbar sein

Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter des Lahn-Dill-Kreises sind für die Geflüchteten im Landkreis da

Asfa Masood berät einen Mann aus der Ukraine während der Sprechzeit im Flüchtlingsbüro. Er benötigt einen Arzttermin. Foto: Lahn-Dill-Kreis

Asfa Masood berät einen Mann aus der Ukraine während der Sprechzeit im Flüchtlingsbüro. Er benötigt einen Arzttermin. Foto: Lahn-Dill-Kreis

Jeden Montagmittag biegt ein Reisebus vor der Wetzlarer Kestnerschule ab. In dem Schulgebäude befindet sich das offizielle Ankunftszentrum des Lahn-Dill-Kreises. Sozialarbeiterin Viktoria Kaltenberger eilt zum Haltepunkt in der Nebenstraße. Wie jede Woche nimmt sie mit einigen ihrer Kolleginnen und Kollegen die Menschen in Empfang, die zuvor in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen angekommen sind und dort bereits offiziell registriert wurden. Wie viele Menschen aus dem Bus steigen, weiß Viktoria Kaltenberger nie. Einige Tage vorher erhält das Team zwar eine Liste mit den Namen der Menschen, die dem Lahn-Dill-Kreis offiziell vom Land Hessen zugewiesen werden, doch nur ein Teil der Menschen entscheidet sich dann, tatsächlich auch nach Wetzlar zu reisen. Unter den Neuankömmlingen sind in den vergangenen Monaten vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrer Heimat flüchten. Da sie innerhalb Europas für 90 Tage Freizügigkeit genießen, dürfen sie auch selbstständig weiterreisen, solange sie nicht offiziell im Landkreis registriert sind und unter anderem finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen möchten.

Ankommen im Ankunftszentrum Kestnerschule Wetzlar
Mit Hilfe der Liste gleichen die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die Namen derer ab, die wirklich in Wetzlar angekommen sind, und für die es nun offiziell weitergeht. „Die Menschen werden mit ihrem Gepäck zum Ankunftszentrum gebracht und dort von Mitarbeitenden des DRK Wetzlar zuerst auf das Corona-Virus getestet“, erklärt Viktoria Kaltenberger. Danach dürfen sie die ihnen zugewiesenen Zimmer beziehen. „Der Montag ist der Ankunftstag“, sagt die Sozialarbeiterin des Lahn-Dill-Kreises. Sind die ersten Formalia erledigt, geht es ab Dienstag weiter mit der offiziellen Registrierung. „Anfangs waren fast alle Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Kestnerschule im Einsatz, mittlerweile sind wir im Schnitt noch zu dritt vor Ort“, erklärt der Leiter des Fachdienstes Sozialarbeit, Wolfgang Roth. Aus insgesamt 21 Frauen und Männern besteht sein Team, die an den Standorten in Wetzlar und Dillenburg arbeiten. Diese sind nicht nur im Ankunftszentrum vor Ort. Sie haben den Landkreis auch in Bezirke aufgeteilt und fahren regelmäßig in die dort liegenden Gemeinschaftsunterkünfte. „Die Menschen erreichen uns aber auch per Handy“, sagt Viktoria Kaltenberger.

Betreuungsschlüssel hat sich deutlich erhöht
Insgesamt betreut das Team aktuell 4.983 Menschen, die aus aller Welt im Lahn-Dill-Kreis angekommen sind. Der Betreuungsschlüssel lag vor dem Ukraine-Krieg bei durchschnittlich1:120 – also eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter kümmert sich um 120 Menschen. Seitdem hat sich dieser Schlüssel auf 1:237 erhöht. Nicht nur, dass sie bis zu 95 Prozent über der ursprünglichen Kapazität arbeiten, führt die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an ihre Grenzen. „Die Menschen wollen so schnell wie möglich einen Deutschkurs besuchen, ihre Kinder in die Schule und Kita schicken, ihre Zertifikate anerkannt bekommen, so schnell wie möglich arbeiten. Alles muss möglichst schnell gehen, aber manchmal geht das nicht so einfach. Da entstehen sehr viele Konflikte“, schildert Viktoria Kaltenberger. Während sie von ihrer Arbeit erzählt, schaut sie immer wieder auf das Telefon vor sich. Ein Anruf nach dem anderen leuchtet auf. „Bei den meisten weiß ich schon, dass ich auch mal später zurückrufen kann“, sagt sie. Nur bei einem muss sie sich kurz entschuldigen. Es geht um einen aktuellen Krankenschein.

Arbeit im Flüchtlingsbüro
Um einen Behandlungsschein für einen Arzt geht es auch den beiden Männern aus der Ukraine, die im Flüchtlingsbüro vor Asfa Masood sitzen. Einer der beiden benötigt ein Medikament, sein Vorrat ist aufgebraucht. Mittels einer Dolmetscherin erklärt ihm die Sozialarbeiterin, dass er zunächst einen Termin bei einem Arzt braucht und dann erst ein Rezept für die Tabletten bekommt. Sie nimmt die Personalien auf, sucht in einer langen Excel-Tabelle, in welcher Gemeinschaftsunterkunft der Mann aktuell lebt. Dann greift sie zum Telefonhörer und vereinbart einen Arzttermin für den Ukrainer. „Das Flüchtlingsbüro ist zu den Öffnungszeiten immer sehr gut besucht. Und auch davor und danach kommen viele Menschen zu uns. Das ist für die Mitarbeitenden eine belastende Situation“, erklärt Wolfgang Roth. Etwa 60 Menschen wollen in den drei Stunden, die das Büro pro Tag geöffnet ist, ihr Anliegen vorbringen. „Das dauert manchmal nur wenige Minuten, manchmal auch bis zu einer halben Stunde“, sagt der Fachdienstleiter. Zwei bis drei Mitarbeitende seines Fachdienstes sind dann vor Ort, genauso wie zwei Mitarbeitende für die wirtschaftlichen Hilfen. Eine weitere Mitarbeiterin lässt nach und nach die Menschen vom Gehweg in das Gebäude ein, unterstützt von Security. Familien mit kleinen Kindern haben Vorrang, damit diese nicht so lang an der großen Straße stehen müssen. Sie sortiert die Anliegen. Sobald ein Platz an einem der vier Beratungsschalter frei wird, lotst sie die Menschen dorthin. Unter ihnen sind auch zwei junge Ukrainerinnen. Erschöpft sitzen sie auf den Stühlen, zwei große Tüten stehen neben ihnen. „Wir sind sehr dankbar, dass wir so gut hier aufgenommen wurden“, sagt eine der beiden. Seit Anfang März wohnen sie im Lahn-Dill-Kreis. Sie sind an diesem Tag zum zweiten Mal im Flüchtlingsbüro, haben noch einmal eine Frage zur Geldauszahlung. „Vorher konnten wir alles am Telefon klären, das hat sehr gut funktioniert“, erzählen sie mithilfe einer Dolmetscherin. Verwandte hätten ihnen geholfen, die notwendigen Formulare nach ihrer Ankunft auszufüllen.

Informationen für Menschen aus der Ukraine
Diese sind für privat angekommene Geflüchtete aus der Ukraine auf der Internetseite des Lahn-Dill-Kreises zu finden. Bei Fragen zur finanziellen Unterstützung steht das Kommunale Jobcenter ab dem 1. Juni 2022 zur Verfügung. Wichtige Fragen und Antworten darauf sind auf der Homepage des Kommunalen Jobcenters Lahn-Dill zusammengefasst.