28.08.2020 | 13:00
Kindheit und Jugend muss mehr sein als Bildung und Förderung
Jugendarbeit schafft Ausgleich und schult Sozialkompetenzen
Oft vergessen wir in der Erinnerung an Kindheit und Jugend, dass diese neben positiven Erlebnissen und Erfahrungen auch viele Hürden und Belastungen mit sich bringt –im schulischen, wie im außerschulischen Bereich. Die pädagogischen Fachkräfte in Jugendzentren sorgen dafür, dass Kindheit und Jugend in allen Lebenslagen mehr ist als Bildung und Förderung. Corona mit all seinen Einschränkungen, hat auch diesen Bereich getroffen. Durch die schrittweise Öffnung können sich die Jugendzentren vor Ort den alten und neuen Herausforderungen stellen und Jugendliche und Kinder unterstützen.
Spiel, Spaß, Abenteuer und die Welt entdecken: Das sollte eigentlich Kindheit und Jugend ausmachen. In vielen Fällen kennzeichnet diese Phase aber auch ein hohes Maß an früher Förderung und die Notwendigkeit von (ganztägiger) Betreuung. Außerdem werden arbeitsmarktrelevante Fähigkeiten sowie schulisch-fachliche Bildung vermittelt. Die durch Digitalisierung und Soziale Medien wie Whatsapp, Snapchat, Instagram oder Tik-Tok geförderte Schnelllebigkeit und Unverbindlichkeit der Gesellschaft und damit aufkommende Probleme wie Online-Sucht, Cybermobbing und zwanghafte Dauererreichbarkeit geben ihren Rest dazu. Das Leben in unserer Leistungsgesellschaft, verbunden mit den Belastungen in Schule, Ausbildung und Beruf, fordert Jugendliche extrem. Bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen führt zudem ihre soziale Lage dazu, dass bereits die bloße Teilhabe an der Gesellschaft eine große Herausforderung für sie darstellt.
Kindheit und Jugend muss mehr sein als Förderung und Bildung! Vieles muss sich mehr um das drehen, was Kinder und Jugendliche wirklich von sich aus wollen, nicht um das, was ein System von ihnen verlangt. Dieses Prinzip verfolgen die Jugendzentren in ihrer täglichen Arbeit. Ihre Bildung erhalten junge Menschen nicht allein in der Schule, sondern im privaten, zwischenmenschlichen Bereich außerhalb der Schulzeit. In den Jugendzentren, in denen pädagogische Fachkräfte – meist Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagogen/innen – hauptberuflich tätig sind, findet viel dieser außerschulischen, nicht formellen Bildung statt.
„Jugendarbeit bietet Halt, Ausgleich, Freizeitmöglichkeiten und das Erlernen von wichtigen Sozialkompetenzen“ erklärt der Leiter des Fachdienstes Kinder- und Jugendförderung der Kreisverwaltung, Jens Groh.
„Neben und während des Kickerns, Billard oder Playstationspielens im Jugendzentrum lenken die pädagogischen Fachkräfte immer wieder den Fokus auf das Erlernen von Sozialkompetenzen oder das Aufbauen und Reflektieren von sozialen Bindungen – wichtige Kompetenzen für ein gutes gesellschaftliches Miteinander, eine sinnvolle Vorbereitung auf Fähigkeiten in einem späteren Berufsleben und vor allem für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Sie stehen dabei mit Rat und Tat bei aufkommenden Fragen und Problemen – auf Augenhöhe – für die Jugendlichen und Kinder bereit. Übrigens gibt es für die Jugendarbeit auch einen gesetzlichen Auftrag, der genau diese Ziele formuliert“, führt Yannick Mindnich, Kreisjugendpfleger des Lahn-Dill-Kreises, aus.
Jugendzentren bieten für Kinder und Jugendliche einen – ihren – geschützten Raum, den sie mitgestalten können. Durch die aktive, offene und immer freiwillige Beteiligung der jungen Menschen in „ihrem Raum“ und bei Angeboten lernen sie demokratische Strukturen, soziales Engagement, können Grenzen austesten und finden eine Auszeit aus ihrem strukturierten Tagesablauf. Angebote, die Jugendliche annehmen können, aber nicht müssen. Eigeninitiative, Eigenverantwortung, weitere Lebenskompetenzen – insgesamt die gesamte Persönlichkeit – werden gestärkt. Aktivitäten und Angebote sind bewusst niedrigschwellig und kostenreduziert, um auch dann die Teilnahme zu ermöglichen, wenn weniger Anschluss in der Gesellschaft gefunden wird.
Jugendliche fühlten sich durch die Pandemie-Beschränkungen nicht mehr als individuelle Menschen wahrgenommen (bundesweite Studie „JuCo“). Ihre Stimme wurde noch leiser. Wie viele andere Lebensbereiche kann die Jugendarbeit im Lahn-Dill-Kreis durch Lockerungen langsam wieder mit Kontakt und Begegnungen in ihren offenen Angeboten starten. Die Jugendlichen können dort, mit ihren Bedürfnissen und Problemlagen abseits von Schule und anderen Institutionen, endlich wieder wahrgenommen werden. Die Wiedereröffnung der Jugendzentren kann die Stimme der Jugendlichen wieder lauter machen. Dabei sind alle Jugendlichen eingeladen, die Jugendzentren in ihrem Ort zu besuchen und die Angebote, ganz nach ihren Bedürfnissen, mitzugestalten. Die Jugendzentren setzen Hygienemaßnahmen nach den aktuellen Vorschriften um und haben vor Ort individuelle Hygienekonzepte entwickelt, um eine hohe Sicherheit zu gewährleisten.
Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Wegfall von sozialen Kontakten und Möglichkeiten zum Ausgleich in anderen Freizeitbereichen erlangt professionelle Jugendarbeit einen umso höheren Stellenwert. Im Frühjahr nutzten viele Jugendgruppen und Jugendzentren die Videochats und weitere digitalen Kommunikation oder das Telefon, um Kontakt mit Gruppen und einzelnen Jugendlichen zu halten. All das ersetzt aber keinen persönlichen Face-to-Face-Kontakt mit seiner bedeutsamen Interaktion, wie Mimik und Gestik.
Einen umfassenden Entwicklungsbericht über die Jugendarbeit im Landkreis stellte der Lahn-Dill-Kreis Ende 2019 im Jugendhilfeausschuss vor. Dieser ist auf der Website unter www.jugendfoerderung.lahn-dill-kreis.de downloadbar. Ansprechpartner beim Lahn-Dill-Kreis zum Thema Jugendarbeit ist Kreisjugendpfleger Yannick Mindnich, yannick.mindnich@lahn-dill-kreis.de oder 06441-407-1533.
Zum Hintergrund der Karte
Manche Kommunen investieren Gelder und Stellenanteile in die professionelle Jugendarbeit (Jugendzentren etc.) – die grün eingefärbten Kommunen auf der Karte halten kommunale Jugendarbeit vor. Diese Fachkräfte, die im Lahn-Dill-Kreis Jugendarbeit im Auftrag der Kommunen leisten, bilden einen Fach-Arbeitskreis, der mit dem Jugendamt des Lahn-Dill-Kreises zusammenarbeitet. Die Jugendarbeit der Stadt Wetzlar (dunkel gefärbt) wird über das Stadteigene Jugendamt betreut.